Zahnarztpraxis Dr. Würfel

Zahnarztpraxis

Dr. Würfel
Frank Würfel und sein Team

Zahnarztpraxis

Dr. Frank Würfel
& sein Team

Zahnarzteinsatz in Thailand

1.3..17 Mittwoch

Zahnarzteinsatz in Thailand?

Das wurde ich in den letzten Wochen öfter mal gefragt. Klar gibt es in Thailand alles von ganz reich bis ganz arm mit den entsprechenden Möglichkeiten, zahnärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und für ein schnödes Zahn ziehen findet sich im ganzen Land ein Zahnarzt. Im Gegenteil, in Bangkok scheinen die Zahnärzte auf den Bäumen zu wachsen. Praxen, wohin das Auge schaut. Na ja, wenigstens das Suchende.
Was also treibt mich dieses Mal nach Thailand?

Es ist dieses Projekt.

Vielleicht mal kurz zur Erklärung. Thailand grenzt an Burma. In Burma gibt es eine Volksgruppe – die Karen – die viele Jahre auf Grund früherer separatistischer Bestrebungen im Dauerkonflikt mit der burmesischen Regierung lebten und entsprechend behandelt wurden. Das führte in der Vergangenheit immer wieder zu Flüchtlingsströmen von Burma nach Thailand. So entstanden Lager in Grenznähe, in welchen die Karen jetzt schon seit ca. 20 Jahren leben.

Der Verein Malteser International bemüht sich um einer Basisversorgung der Menschen in diesen Lagern. In Zusammenarbeit mit  den Maltesern engagierte sich in den letzten Jahren der deutsche Zahnarzt Dr. Reiter in einem der Lager für die Einrichtung einer einfachen zahnärztlichen Behandlungsmöglichkeit und bildete Einheimische zu Behandlern  aus. Diese sollten selbstständig eine zahnärztliche Grundversorgung auf einfachem Niveau sicherstellen können.

Das hat mir gefallen. Diese Anleitung zur Selbstständigkeit, statt darauf angewiesen zu sein, dass gelegentlich ein Zahnarzt vorbeischaut.

Mein Job in den nächsten ein bis zwei Wochen soll sein, den aktuellen Stand zu erfassen, Technik und Ausrüstung zu checken, die örtlichen Behandler weiter zu schulen und Behandlungen auch selbst durch zu führen.

Was genau davon welchen Stellenwert haben wird, das werden die nächsten Tage zeigen.

2.3.17 Donnerstag

Ich bin schon früh gegen 6  hoch gewesen. Die Handysache lies mich nicht schlafen.

Ich habe mir auf den letzten Drücker ein S7 edge gekauft und dann bis früh um 2 Uhr Daten geschaufelt und Apps installiert. Aber wenn man keine richtige Ahnung hat, dauert so was eben und funktioniert dann nicht richtig. Ist auch sehr clever, das einen Tag vor der Abreise zu machen. Früh um 6 Uhr habe ich mein altes Handy wieder aktiviert und das edge zu Hause gelassen. Auf Arbeit haben mich meine Mädels noch mal durch die Gegend getrieben, als würde ich nicht mehr nach Hause zurückkehren.

Hab dann noch die Wartezeiten in Dresden und Frankfurt bis zur letzten Minute ausgenutzt, um alle letzten Absprachen zu treffen. Aber nun startet gleiche dieses Riesending, in dem ich schon sitze und dann lasse ich Heidenau mal 3 Wochen hinter mir.

Es gibt doch kaum etwas Gewaltigeres, als den Schub und das Brummen der Motoren bei Start eines so großen Flugzeugs.

3.3.17 Freitag

8.00 Uhr

Ich sitze noch im Flieger. In Deutschland ist es jetzt um 8.00 Uhr in Thailand schon 14.00 Uhr. In einer halben Stunde landet der Flieger in Bangkok. Die Nacht war gut, habe mit ein paar Unterbrechungen viel geschlafen. Einen Film vor dem Einschlafen, einen beim Frühstück. Auch so was Tolles an Langstreckenflügen, man kann so richtig fernsehen, weil man eh nichts anderes Sinnvolleres tun kann.

21.00 Uhr

Von Bangkok ging es dann nach 2 Stunden weiter nach Chiang Mai im Norden Thailands, das war noch mal eine reichliche Stunde fliegen, alsoein Keksflug.

Am Flughafen nahm ich mir kein richtiges Taxi sondern ein Tuk Tuk. Nicht die klügste Entscheidung. Der Tuk Tuk Fahrer wusste überhaupt nicht, wo mein Hostel ist, nickte aber auf meine Frage, ob er es wüsste, wie verrückt. Nach dreimal telefonieren fanden wir es dann. Ich gab ihm 100 Bat, er wollte 200. Wir diskutierten 5 Minuten und einigten uns dann auf 150. Er versuchte mir gleich noch eine Thai Lady – very cheap –  aufzuschwatzen.

Na ja, lustiger Anfang.  Zimmer ist ok, ziemlich warm, ich schätze so um die 35 Grad, aber dafür mückenfrei, sauber und mit Dusche.

4.3. 17 Samstag

Heute habe ich erst mal schön ausgeschlafen bis etwa 9 Uhr. Dann durchstöberte ich Chiang Mai von kreuz nach quer. Heut ist schließlich Akklimatisierungstag.

Die Stadt selbst ist typisch asiatisch. Fast keine Fußwege, dafür zig Mopeds, viele Imbisse, von ganz einfachen an der Straße bis zu schicken Restaurants. Viele buddhistische Tempel und Tempelchen und Tempelinchen.  Viel Grün, das wächst ja hier überall von alleine, aber wenig gepflegt. Ich wanderte dann stadtauswärts weiter zu den Bergen – zum Zoo. Mir war nicht klar, dass es mehr ein „Autofahr“ – ZOO als ein „Geh zu Fuß“ –  ZOO ist. Aller 500 m ein Gehege. Ich bin also schön viel bei schön warm gelaufen, während die faulen Einheimischen in ihren Autos rumfuhren und nur an den Gehegen ausstiegen. Na ja, Laufen soll ja gesund sein. Insgesamt bin ich heute auf ca. 30 km gekommen, sagt meine App. Also akklimatisiert bin ich jetzt.

Dafür gönnte ich mir hinterher in einem kleinen Straßenkaffee so nach und nach 8 Kugeln Kokos Eis.

mal ein liegender Buddha

Nach einer Erholungspause in meiner muslimischen Pension…
Wieso sie muslimisch ist??  —  ganz einfach, es gibt kein Bier.                                                          
Ansonsten ist alles genauso wie bei christlichen oder buddhistischen Pensionen.
Also nach meiner Erholungspause bin ich dann noch mal los, eben um mir ein Bier zu gönnen. 
Und nun sitze ich bei sehr lauter, gewöhnungsbedürftiger Livemusik und Bier und schreibe. Neben mir schmachtet gerade ein vielleicht 70 jähriger, ungepflegter, weißer Mann mit Zahnlücken und Schmerbauch eine vielleicht 35 jährige Thai an.

Ich werde das mal eine Weile beobachten.
Der gute Mann scheint die Dame gebucht zu haben. Jedenfalls essen sie gemeinsam und er holt sich immer mal ein paar Küsse ab. Wenn er dann zwischendurch an den anderen besetzten Tisch geht – da sitzen offensichtlich seine Kumpel, 6 Weiße, die alle Klischees bedienen, die man so kennt, dann versucht die Perle jedes Mal, mit mir Blickkontakt aufzunehmen. 

Ich trau mir schon gar nicht mehr zu beobachten. 

1 Stunde später

So ich bin jetzt klüger.

Also die Frage, ob hier jeder der Weißen an dem Tisch da vorn eine Perle abbekommt, ist klar mit nein zu beantworten. Auch der Casanova musste die Dame Punkt 24 Uhr an einen plötzlich anwesenden Thai abgeben, der sie in ein Auto setzte und wegfahren ließ.

Ach ja und jeder Angestellte der Gaststätte, also alle Kellner, die 3 Damen, die hier zur Bespaßung des 6 Mann – Männertischs da sind und der Koch durften jetzt mal zu den Karaokeklängen des musizierenden Alleinunterhalters singen. Für meine europäischen Ohren klingt es irgendwie alles gleich, aber ich habe ja noch 3 Wochen vor mir, um sensibel für die Details zu werden.

5.3. Sonntag

Eigentlich sollte ich heute von den Maltesern abgeholt werden. Die hatten mich aber offensichtlich vergessen – dachte ich jedenfalls. 12.00 Uhr nahm ich dann einen öffentlichen Bus nach Mae Sariang. Natürlich rief mich eine halbe Stunde nach Abfahrt ein Mitarbeiter der Malteser an und fragte, wo ich denn sei, der Fahrer sei jetzt da. Pech gehabt, ist er eben 3 Stunden umsonst gefahren.

Den Nachmittag verbrachte ich dann nach einer Stadtbesichtigung von Mae Sariang (einem Provinzstädtchen), was eine knappe Stunde dauerte, am Pool. Bisschen Jetlag hatte ich wohl doch noch.

Als dann gegen 10 Uhr abends der kleine Hunger einsetzte, musste ich feststellen, dass so außerhalb der Saison – also jetzt – nicht mehr wirklich etwas  geöffnet hatte.

Hotel:  Above the sea

Aber schließlich fand ich am Dorfplatz eine einsame Straßenküche. Der gute Mann warf mir dann noch einige Teile in seine Ölwanne, von denen ich weder vorher noch nach dem Essen hätte sagen können, ob das jetzt Fleisch oder Tofu oder sonst was war. Aber dank seeehr würziger Soße schmeckte es ganz gut und sättigte.

Direkt neben dem Straßenstand standen 6 Holzbaracken. An jeder stand Karaoke Bar. Vor jeder saßen so 4-6 Mädchen und langweilten sich. Kein einziger Gast war zu sehen. Kurz erwog ich, mir dort noch ein Bier zu gönnen, aber ich ließ es dann doch lieber sein.

6.3. Montag

Um 8 Uhr standen ein ordentlicher Allrad Pick up vor dem Hotel und brachte mich zum Stützpunkt der Malteser International.

Krankenstation im Lager 2

Begrüßt wurde ich vom – ich glaube  – schwedischen Stützpunktleiter, der mich sehr freundlich und sehr intensiv in die Arbeit der Malteser, die Hintergründe und die aktuellen Entwicklungen einweihte. Eine ordentliche Belastungsprobe für meine Englischkenntnisse. Dann wurde mir Frau Thitimon (Mon) vorgestellt. Sie soll für diese Woche meine gute Fee, Dolmetscherin vom Englischen zum Karenischen, meine Betreuerin, Organisatorin, Köchin und Fremdenführerin sein.

Wir stiegen in den Pick up und los ging die Fahrt in Richtung burmesische Grenze, also Richtung Camp.

hier war die Straße noch Klasse

Wir waren – glaube Ich – dreieinhalb Stunden unterwegs. Was als gut ausgebaute Asphaltstraße begann, wurde dann erst zur löcherigen Asphaltstraße, später zur unbefestigten geglätteten und noch später zur unbefestigten holprigen Straße. Es ging ständig bergauf oder bergab. Ebene Straßenabschnitte gab es die letzten 2 Stunden fast keine mehr. Zwischendurch waren immer auch mal 50 oder 100 m mit Asphalt befestigt, wohl weil diese Stücken sonst in der Regenzeit nicht zu befahren gewesen wäre. Endete so ein Asphaltstück, gehörte immer eine Menge Feingefühl dazu, um den an sich  hochbeinigen Pickup nicht auf der Kante aufzusetzen.

Da derzeit Trockenzeit ist, staubte es ordentlich beim Fahren. Der Weg wand sich an den Bergwänden rauf und runter. Schnell waren wir nicht unterwegs, deshalb war es am Endeauch schwer zu schätzen, wie weit die Strecke wirklich war.


Zwischendurch fuhren wir ein paar Kilometer am burmesisch– thailändischen Grenzfluss entlang. Eine wunderschöne wildromantische Gegend.

Ungefähr da war ich dann auch der Zivilisation endgültig entronnen  —  sagte mir mein Handy. Kein Internet mehr.

Die Fahrt war, zumindest für einen Neuling wie mich, stellenweise schon abenteuerlich. Wie sie sich gestaltet, wenn Regenzeit ist und der ganze Staub zur Modderpampe wird, dass vermag ich mir gar nicht richtig vorstellen.

burmesisch – thailändische Grenze

die ersten Hütten, die ich sah

Das Lager selbst ist eine endlose Ansammlung von Hütten, meist auf Stelzen, gedeckt mit großen Blättern von Laubbäumen, die irgendwie kunstvoll auf mattenähnlichen Strukturen befestigt sind. Keine Ahnung wie das hält. Wird es aber, denn die Hütten sind alle so gedeckt. Die Menschen wirken entspannt. Viele Kinder überall. Am Krankenhaus angekommen gab es erst mal eine kurze Besichtigung. Ganz knapp scheine ich eine Geburt verpasst zu haben. Das winzige Baby wurde gerade vom Schleim befreit. Also lange kann es noch nicht dagewesen sein. Die Klinik zu beschreiben ist kaum möglich. Ich werde Fotos machen. Es sah aber alles sehr ordentlich aus.

Die Krankenstation

Dann gab es für Mon und mich erst mal Mittag. Das Essen hatte sie aus Mae Sariang mitgebracht. Es war also schon ein paar Stunden kalt. Ich lasse mich überraschen, was mein Magen dazu sagt.
Gegen halb 2 wurden mir die Mitarbeiter, der sogenannte dental clinic staff, vorgestellt. Erster Eindruck: na das sind ja alles ganz junge Menschen. Ich hätte sie alle so zwischen 17 und 24 geschätzt, außer einem vielleicht, der sah schon wie über 30 aus.

In Wirklichkeit war Roba, der Älteste, schon über 40 und die meisten anderen etwa Mitte 30. So kann man sich verschätzen.

Von links nach rechts Mon, Roba, Poujaschi, Seba, Nimpi, Sokri, Dege

Roba und Seba habenschon einige Erfahrung in der Zahnheilkunde. Nach eigenen Angaben haben sie jeder schon ca. 100 Zähne gezogen und 30 Füllungen gelegt.

Die anderen 4 sind völlig neu in der „Branche“.Poujaschi , die junge Frau, Nimpi, Dege und Sokris, wobei man mich bitte nicht auf Exaktheit der Namen festnageln möge. Das war aber das, was ich verstanden habe. Sie sprechen alle fast kein Englisch und sind sehr freundlich

Meine Aufgabe für die nächsten Tage wird es sein, den einheimischen Kollegen vormittags bei der Arbeit zuzuschauen, Tipps zu geben und nachmittags Theorieunterricht zu halten.

Heute haben wir gleich mal mit Gebissaufbau, Zahnstrukturen, Kariesentstehung, Nomenklaturen und Zahnpflege begonnen.

Es war am Anfang ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Ich musste überlegen, was ich erzähle. Da die Zeit sehr begrenzt war, versuchte ich mich auf die Dinge zu beschränken, die wirklich für die Arbeit am Patienten hier im Camp notwendig sind. Das erzählte ich dann auf englisch, Mon übersetzte, die jungen „Zahnärzte“ stellten Fragen auf karenisch, die dann von Mon wieder ins Englische und von meinem Kopf ins Deutsche übersetzt wurden. Das braucht Zeit. Aber man gewöhnt sich relativ schnell dran. Und wenn einem mal eine Übersetzung nicht einfällt, dann hat man ja noch Hände und Mimik und Zettel und Stift. Das ist so ein bisschen wie Activity, nur das man alles zugleich nutzen darf.
Schwieriger fand ich es, nicht zu sehr ins Detail zu gehen und das Team mit Informationen nicht total zuzuschütten, sondern immer wieder zu kontrollieren, was müssen sie wirklich wissen und was nicht unbedingt. Schließlich haben wir nur begrenzt Zeit.

Nebenbei versuchte ich mich auch mit den ersten Worten in Karen:
Tablu – Danke
Kologi – Guten Morgen
Kop kun kap  – Vielen Dank

Nach 3 Stunden Powerlearning spürten dann alle Beteiligten, dass die Luft so geschätzt 36 Grad warm war. Deshalb war gegen halb 5 Schluss.

Was waren die stärksten Eindrücke des heutigen Tages. Die Menge der Menschen, die in diesem Camp leben. Es sollen ca. 10000 sein. Über eine große Fläche sind etwa  2000 Bambushäuser an den Berghängen verteilt oder stehen am Fluss aufgereiht. Überall Kinder. Diese gehen hier auch in die Schulen. Es gibt Klassen bis hin zum Abitur. Die Menschen sind alle mit irgendetwas beschäftigt. Da es das Lager schon 20 Jahre gibt, hat sich eine regelrechte Struktur entwickelt. Es gibt Straßenküchen, kleine Läden, Krankenstationen, Einrichtungen verschiedener Hilfsorganisationen. Es gibt eine Kirche und ein Gemeindehaus. Jedes Wohnhaus hat noch eine kleine Toilettenhütte daneben.

die Kirche im Dorf

Ich habe mir erklären lassen, dass die Bewohner von den Maltesern mit Lebensmitteln versorgt werden. Reis, Fischpaste, Salz, Kohle und (das 5. habe ich doch glatt vergessen), werden nach einem pro Kopf Schlüssel verteilt. Und dann verdient sich jeder noch was dazu. Manche arbeiten in den Einrichtungen wie Schulen und Krankenstationen, betreiben die Küchen, Läden, bauen Häuser. Es gibt Dachdecker, Fischer und alles, was so eine Gemeinschaft halt braucht, um autark existieren zu können. Die Bewohner können sich frei bewegen, es gibt keine Zäune oder so etwas, aber sie dürfen nur mit besonderen Passagierscheinen in die thailändischen Städte fahren. Und das dürfen wohl nur die Anführer zu bestimmten Anlässen. Und es ist auch sehr weit, wie ich bei der Anfahrt erleben durfte. Es gibt hochgepflegt gekleidete Menschen mit manchmal blütenweißen Hemden. Unfassbar, wie sie das machen. Es gibt aber auch traditionell gekleidete Menschen und es gibt welche, deren Kleidung sehr arm und zerschlissen ist.

Die Bambushäuser haben alle fließend Wasser – aus einem Hahn – und die Toiletten sind in ein Abflusssystem eingebunden. Es gibt auch Dreckecken, aber insgesamt ist es ziemlich sauber.

Direkt vor der Dental Clinic steht so ein Toilettenhäuschen.
Schon ein Erlebnis.

Soviel zum ersten Eindruck.

Auf dem Weg zu unserem Staffhaus, wo also die höheren, extra anreisenden Angestellten (wie z.B. Mon, meine Betreuerin) unter der Woche übernachten, machten wir noch einen Abstecher in das zweite Lager. Es ist ähnlich groß und genauso strukturiert. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll es in Thailand noch mehr solcher Lager geben.

Das Staffhaus beschreibe ich nicht, die Fotos können das besser. Ich bezog mein „Zimmer“, bekam von Mon das Bett gebaut, ein Mückennetz, Matratze und eine ziemlich dicke Bettdecke.

Das Staffhaus

Das Staffhaus von innen

mein Appartment

Toilette und Dusche

Die nächsten zwei Stunden hatte ich Zeit zum Faulenzen und zum Duschen.
Duschen heißt, man schöpft mit einer Plastikschüssel Wasser aus dem Trog und schüttet es sich über den Kopf. Daran hat man sich ganz schnell gewöhnt, denn das angenehme Gefühl, die gefühlt zentimeterdicke Schweiß – Staubschicht abspülen zu dürfen, überwiegt die ungewöhnlichen Umstände bei Weitem. Es ist ein bisschen wie Camping in meiner Jugend. Schade ist, dass ich mich direkt nach dem Duschen mit Mückenzeug einschmieren musste. Ich habe zwar noch keine Mücke gesichtet und jetzt in der Trockenzeit gibt es auch nicht so viele, aber Malaria und Dengue Risiko sei Dank, bin ich da lieber vorsichtig.

Na und die Füße kann man ganz vergessen. Da hier in den Häusern grundsätzlich barfuß gelaufen wird, sind diese natürlich sofort wieder eingestaubt – um es mal vorsichtig auszudrücken. Aber wer mich kennt-, weiß, dass mir das nun gar nicht schwergefallen ist.

Irgendwann vor dem dunkel werden gab es dann das Abendbrot, welches Mon für mich gekocht hatte. Es war lecker, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was ich da aß. Und nun sitze ich in diesem großen Bambushaus und schreibe Tagebuch. Die Frauen sitzen, – schon im Nachtgewand, – im Frauenbereich und schweatzen. Wobei es eigentlich gewagt ist, – soetwas zu schreiben. Es könnte auch einfach der hiesige Freizeitlook sein. Frauenbereich insofern, als dass zwar alle gemeinsam im Hauptteil essen und kochen, aber die Duschen, Toiletten und die Buchten der Frauen sich in einem extra Flügel des Hauses befinden.

– Die Männer sitzen in einer anderen Ecke und quatschen ebenfalls. Ich habe mir bis eben Gedanken gemacht, was ich in der wenigen Zeit an Informationen an die jungen Leute weiter reiche. Irgendwie noch nicht greifbar. Im Hintergrund rattert ununterbrochen das Stromaggregat. Abendbrot gab es noch bei Kerzenschein, aber dann wurde auf modern umgeschaltet. Na wenigstens kann ich so mein Handy laden welches zum Telefonieren ja derzeit nicht zu gebrauchen ist. Aber wenigstens kann ich so meinen Bericht schreiben.

7.3.17. Dienstag

Die Nacht habe ich gut überlebt. Das Stromaggregat wurde dann doch irgendwann abgestellt. Ich war nämlich ein bisschen in Sorge, ob ich das Brummen in meinen Einschlafmodus integriert bekomme. Problem gelöst. Dafür tauchten ganz viele Tierstimmen aus der Dunkelheit auf. Keine trompetenden Elefanten, keine fauchenden Tiger, obgleich die Stadtmenschgedanken schon in diese Richtung dachten. Ein Weilchen später veranlassten mich, in meinem Kopf auftauchende Bilder von haarigen Spinnentieren und stacheligen Skorpionen, doch noch mal zu checken, ob das Mückennetz auch wirklich rundum dicht unter dem Matratzenrand lag. Ja, man wird in ungewohnter Umgebung schneller paranoid-, als man glaubt. Aber so dünne Wände zum Regenwald hin – das hatte ich auch noch nicht.

im „Schutze“ meines Mückennetzes

Auf jeden Fall hab ich den nächsten Morgen unversehrt erreicht. Ich war auch froh über die recht dicke Decke, welche mir Mon verpasst hatte. Es war nämlich ordentlich kühl. Es ist eben Gebirge. Ich hatte sogar bis halb 8 meinen dicken Pullover an, von dem ich eigentlich gedacht hatte, dass er ein völlig blödsinniger Ballast wäre.Nach einem warmen Frühstück mit Ei, Reis und Gemüse – wie auch sonst; ging es wieder ins Camp. 30 Minuten ordentliche allradtaugliche Huckelpiste.Dort erwarteten uns schon einige Patienten.  Mein Job bestand den ganzen Vormittag im Wesentlichen im Zuschauen, wie Sebo und Roba Füllungen legten und Zähne zogen.Übers Füllungen legen viel zu schreiben lohnt nicht. Vielleicht so viel, beide bohren sehr gefühlvoll. Hatte ein Patient  irgendwo ein kleines Loch, dann waren die Nachbarzähne ganz oft so zerstört, dass es eigentlich sinnvoller gewesen wäre, erst mal diese zu ziehen. Aber hier geht es nach Wunsch und wenn ein Patient eine Füllung an einem bestimmten Zahn wollte und wenns noch irgendwie ging, dann bekam er sie. Auch wenn die Regeln deutscher Zahnheilkunde gelegentlich sehr tolerant ausgelegt werden mussten.

Auf jeden Fall hab ich den nächsten Morgen unversehrt erreicht. Ich war auch froh über die recht dicke Decke, welche mir Mon verpasst hatte. Es war nämlich ordentlich kühl. Es ist eben Gebirge. Ich hatte sogar bis halb 8 meinen dicken Pullover an, von dem ich eigentlich gedacht hatte, dass er ein völlig blödsinniger Ballast wäre.

Nach einem warmen Frühstück mit Ei, Reis und Gemüse – wie auch sonst; ging es wieder ins Camp. 30 Minuten ordentliche allradtaugliche Huckelpiste.

Dort erwarteten uns schon einige Patienten.  Mein Job bestand den ganzen Vormittag im Wesentlichen im Zuschauen, wie Sebo und Roba Füllungen legten und Zähne zogen.

Übers Füllungen legen viel zu schreiben lohnt nicht. Vielleicht so viel. Beide bohren sehr gefühlvoll. Aber, hatte ein Patient irgendwo ein kleines Loch, dann waren die Nachbarzähne ganz oft so zerstört, das es eigentlich sinnvoller gewesen wäre, erst mal diese zu ziehen. Aber hier geht es nach Wunsch und wenn ein Patient eine Füllung an einem bestimmten Zahn wollte und wenns noch irgendwie ging, dann bekam er sie. Auch wenn die Regeln deutscher Zahnheilkunde gelegentlich sehr tolerant ausgelegt werden mussten.

Der Supervisor bei der „Arbeit“

Mon die Chefin

Roba beim Zahn ziehen

Beim  Zähne ziehen war das alles etwas klarer. Sebo und Roba ziehen sehr gefühlvoll und vorsichtig. Die anderen 4, die ja ganz neu in der Branche sind, sahen zu, diskutierten eifrig, hielten die Lampe oder die Hand oder was eben grad zu halten war. Ich schnipste zwischendurch immer mal einen Zahn raus, wenn mich meine thailändischen Kollegen hilfesuchend ansahen.  Für irgendwas muss es ja gut sein, das ich seit 30 Jahren nichts anderes mache (na ja fast).Die Zahnarztpraxis ist ziemlich spartanisch ausgestattet. Die Behandlungseinheit hat so 10 bis 15 Grad Schieflage, was dazu führt, dass die Lampe ständig versucht-, sich vom Acker zu machen. Die Absaugung funktioniert gar nicht, was den Reiz von Mundschutz und Brille deutlich erhöht. Nur dass man hinter einem Mundschutz noch mehr schwitzt und ständig die Brille beschlägt.

Die chirurgischen Instrumente werden auch hier am Tagesende sterilisiert. Wie, weiß ich nicht und will es auch gar nicht wissen. Zumindest haben sie vorher alle in einer Desinfektionslösung gelegen, die aus der modernen Welt kommt. Ich gebe zu, ganz konnte ich mich nicht des Gedankens erwehren, dass so mancher deutscher Hygienebeauftragte /die sich ja immer neue und manchmal schon, entschuldigung, etwas unsinnige Hygieneregelungen ausdenkem)-, hier sein wirkliches Gomorrha finden würde. Das soll nicht heißen, dass ich diese Zustände hier auch nur ansatzweise in meiner Praxis haben möchte, aber die Kluft zwischen Hygienevernunft und Hygienewahn zu Hause trifft hier auf eine komplett andere Welt.

Dazu kommt der allgegenwärtige Staub und natürlich auch das begrenzte Wissen des Teams, was ist wirklich gefährlich und was „geht“ noch.

Aber, nur damit es niemand falsch versteht, die Kollegen putzen akribisch, nur manchmal an den falschen Stellen und manchmal auch auf aussichtsloser Position. Ich habe den einen großen Schrank im Raum gestern gründlich ausgewischt – und heute war davon nichts mehr zu sehen. Staub, Staub, Staub , Staub…
Der Fußboden wird jeden Tag gewischt, aber so, wie die Behandlungseinheit da steht, mit den Schläuchen und Kabeln, mit den Rissen im Material usw. ist ein hygienischer Fußboden wahrscheinlich schwieriger als eine Mondlandung. Mittags gab es Essen im Thaiimbiss. Heiß und scharf und lecker. Ich muss nur mehr Toilettenpapier zum Stirn abtupfen mitnehmen. Zumal, wer mich kennt, weiß, ich habe viel Stirn – bis in den Nacken.

Nach der Mittagspause gab es dann eine volle Ladung Theorie. Erst wurden die Fälle vom Vormittag der Reihe nach ausgewertet, dann wurden die katastrophalsten Hygienefehler besprochen, in der Hoffnung, dass es morgen besser wird. Dann quälte ich die Truppe noch eine Stunde mit allen denkbaren Komplikationen, die es beim Zähne ziehen nur geben kann. Zwischendurch machte sich spürbare Unsicherheit breit. Es gibt eben ein paar Situationen, die sehr selten sind-, aber eben doch auftreten können und für die es in einem Karenlager, nahe der burmesischen Grenze und 4 Stunden vom nächsten Ort entfernt, einfach keine echte Lösung gibt.
Das ist zwar mies-, aber ich meine, wenigstens sollten die hiesigen Behandler wissen, was passiert, wenns mal passiert. Das heißt, morgen gibt es die Komplikationen samt Regenwaldlösung gleich noch mal. Schon, weil solches Wissen auch vorsichtig macht.

Gegen halb 5 waren dann meine jungen Kollegen völlig erschöpft und durften in den Feierabend. Es ist immer noch komisch. Wenn ich die Männer so sehe, sagt mir mein Auge, die sind alle 17 – 18 und meine Hand schreibt jedes Mal – die Jungs. Dabei sind es alles gestandene Männer. Denn um jetzt hier Zahnbehandler zu werden, haben sie alle schon eine Kariere in diversen anderen Bereichen der Krankenstationen hinter sich.

Sie stehen in der Lagerhierarchie wahrscheinlich schon relativ weit oben.
Den restlichen Nachmittag verbrachte ich mit Fotografieren und Wäsche waschen – man glaubt nicht, wie schnell man hier einstaubt – und sich dran gewöhnt.

morgendlicher Bergblick

morgendlicher Talblick

Abendbrot haben Mon und die burmesische Ärztin, die mit im Staffhaus wohnt, gemeinsam gekocht. So hatte ich heute thailändische und burmesische Speisen zur Auswahl. Ganz abgesehen davon, dass ich ständig herzlich eingeladen werde, auch an den Mahlzeiten der anderen, hier imStaffhaus wohnenden Truppe, teilzunehmen. Die Menschen sind einfach alle sehr, sehr freundlich.

Besonders lustig fand ich heute, dass an jeder Hütte im Lager eine Reihe kleiner Plastiktüten hängt – so in Frühstücksbeutelgröße. Die sind Pflicht,und dienen demBrandschutz. In manchen ist Wasser, in manchen Sand.  Wohlgemerkt Frühstücksbeutelgröße. Also brennen sollte es zurzeit wirklich nicht.  Selbst bei uns im Staffhaus wird mit offenem Gasfeuer gekocht. Direkt auf dem Holzboden.

8.3. Mittwoch

Na das war ja eine Nacht. Da dachte ich vorgestern Nacht – oh Gott, wenn der Stromgenerator die ganze Nacht brummt, wird es schwierig und gestern Abend freute ich mich schon auf die Geräusche der Nacht.  Gegen 10 Uhr kehrte Ruhe ein, der Generator ging aus. Es wurde dunkel und dann hörte ich es. Klack. Klack. Klack. Irgendwo tropfte noch ein Wasserhahn. Nicht volle pulle. aber auch nicht nur ein gelegentliches Tropfen. Irgendwas dazwischen. Und es kam von rechts, nein doch von links, oder doch von rechts? Und irgendeiner der Thais wird ja sicher gleich aufstehen und den Hahn zudrehen. Das ist ja bestimmt Absicht, weil eine der Duschtonnen noch nicht wieder vollgelaufen ist…

Mit solchen Gedanken verbrachte ich die nächsten 2 Stunden,  im Wechsel mit ernsthaften Bemühungen, das Geräusch zu akzeptieren und in meine Einschlafbemühungen einzubeziehen.

Nun – ich scheiterte. Nach 2 Stunden war ich so wach-wach, dass ich dann doch aufstand und nachsehen ging. Insgesamt waren es drei Hähne, die noch liefen. In allen Fällen waren die Tonnen längst voll und liefen über. Und dass es wie starkes Tropfen klang, lag einfach daran, dass sich drei Wasserhähne den hier anliegenden Wasserdruck teilen müssen, da wird es halt 3-mal reges Tropfen.

Danach war endlich Stille, voller schönster Nachtgeräusche. Ich konnte natürlich trotzdem noch lange nicht einschlafen. Wach- – wach eben. Dafür war ich dann am nächsten Morgen der Held, denn gestört hatte es offensichtlich alle, ich hab nur zuerst schlapp gemacht.

Der Tag war normal. Früh kühl, mittags heiß, im wirklichen Wortsinn.Vormittags Patienten und ich als klugscheißender Supervisor unterwegs. Beim Mittagessen hab ich nicht etwa mit zu viel Chili nachgewürzt, sondern das Essen war an sich schon superspicy und ich hab nur so viel nachgewürzt, wie die anderen auch. Man will ja auch ein bisschen dazugehören. Aber die anderen Thais haben auch geschwitzt und zum Teil sogar vor  der Schärfe kapituliert.  Mein Schüsselchen war am Ende leer. Ehre gerettet. Dann gab es wieder Theorie.  Notfälle, Komplikationen, Zwischenfälle. Irgendwann hatte ich dann Sorge, der Truppe die Freude am Dentistendasein zu nehmen vor lauter Gefahren.

Dege hat heut seinen ersten Zahn gezogen, seine Hand geführt von meiner Hand. Die Desinfektion hat sich grundlegend verbessert, und sie haben ein paar wirklich schöne Füllungen produziert. Also gefühlt ist es nicht ganz umsonst, was ich hier tue.  Aber der Hauptteil des Lernprozesses ist natürlich üben, üben, üben und das können sie auch allein. Die Erfahreneren beziehen auch sehr teamorientiert die Neuen mit ein und deshalb hab ich heut beschlossen, es bei einer Woche hier zu belassen.Der Heimweg wurde, -nicht ausschließlich wegen mir, aber auf jeden Fall auch für mich, in Form eines Umweges gewählt, damit ich die schönsten Plätze des Lagers, den Fluss, die Minifelder, die Wehre mit den Fischreusen, die Fußballfelder, die Kirche, die anderen Krankenstationen, die Schule, die Hühner, Schweine, Hunde und  die herrliche Hängebrücke zu sehen bekomme. Sprachlosmachende Freundlichkeit.

Wehr mit Fischreuse
 

eine der Brücken  —  die Schönste

Flussblick

Fussballplatz

Dann gab es Abendbrot, heut  schon von drei Frauen zubereitet. Meiner karenischen Mon, der burmesischen Ärztin und einer thailändischen Stafffrau. Jede hatte etwas anderes gekocht, der Tisch war also rappelvoll mit ganz unterschiedlichen Speisen. Alles lecker, nur viel zu viel.

Unter den ganzen grazilen Thaimännern fällt man als gutgemästeter Weißer dann noch mehr auf.Aber ich revanchierte mich fürs Essen mit lustigen Geschichten aus Europa. Na ja, es ist auch einfacher-, selber zu erzählen, als den doch teils eigenwilligen thailändischen Englischversionen zu folgen. Soll nicht heißen, dass meine Aussprache besser ist, ich bin mit ihr eben nur vertraut.

Pünktlich 22 Uhr ging das Licht aus, fast wie im Ferienlager. Gerade hat sich noch ein riesiger Falter in eine meiner Plastiktüten verirrt, und dort einen mörderischen Radau gemacht. Der wollte jetzt noch schnell befreit werden und nun ist nur noch das Zirpen der Grillen, das gelegentliche Pfeifen von – ich vermute Mal –  Geckos zu hören und alle 1- 2 Minuten kracht es irgendwo auf dem Dach oder hinterm Haus oder unterm Haus (Pfahlbau). Was auch immer passiert- unter einem Mückennetz ist man sicher aufgehoben.

9.3. Donnerstag

Heute Nacht quälte mich der Rücken ganz schön. Lag ich auf der Seite, ging es, aber dann war nach einer Weile die Nase zu. Drehte ich mich auf den Rücken, konnte ich wieder atmen, aber der Rücken meldete sich wieder.  Na ja alt halt. Diese Klimaanlage im Auto früh und abends je eine halbe Stunde reichen aus, um die Nase ständig am Laufen zu halten.Dafür gab es zum Frühstück lecker Rührei mit Gemüse und geschälten Äpfeln. Dann liefen Mon und ich schon mal zum Royal Projekt. Das ist ein Hilfsprojekt der Thais für die Flüchtlinge, um sie mit Landwirtschaft vertraut zu machen oder zu halten. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die ganze im Lager geborene Generation und die, die als Kinder ins Lager gekommen sind, ja nie Landwirtschaft erlebt haben. Sie aber später, falls sie wieder nach Burma zurück dürfen, von Landwirtschaft leben sollen. Schwierig.

wildzerklüftete Landschaft

eine der Brücken  —  die Schönste

Flussblick

Kleinfelderwirtschaft wo immer es geht

Der Staff vom Royal Projekt hat sein eigenes Staffhaus und da gibt es Wifi. Ich wollte das Mittel googeln, womit wir desinfizieren. Aber früh läuft kein Stromaggregat, wofür auch und ohne Strom kein Internet. Hätte mir auch selbst einfallen können. Vormittag haben alle Neuen mal einen Zahngezogen. Zwar alles einfache Zähne, aber immerhin. Das naturgegebene Feingefühl ist doch sehr verschieden. War spannend zu beobachten.

Kurz vor Mittag kam eine junge Frau, ich schätzte um die 14 – sie war 21, zwei Kinder. Sie hatte sich für eine Füllung angemeldet. Alle 4 Frontzähne oben hatten jeweils ein Loch – groß – schwarz – entstellend, -bei der sonst recht hübschen und gepflegten Frau. Roba rief mich. Ich sollte eine Füllung machen, er traute es sich nicht zu. Ich behandelte alle 4 Zähne. Es ist auch nach 30 Berufsjahren noch faszinierend, zu sehen, wie sehr so ein paar Füllungen einen Menschen optisch aufwerten können.

Die kleine Dame weigerte sich anschließend, in den angebotenen Spiegel zu schauen. Offensichtlich zu aufgeregt und glücklich, die Löcher könnten echt weg sein.

Mittag gab es heute lieber ohne Chillizugabe und danach noch eine Melone mit Gummibärchen von mir für den Staff.

in der „Mittagskantine

Es ist erstaunlich, meine 6 Zahnärztchen haben zusammen eine kleine Karies. Sie mussten heute alle auf den Stuhl für ne Kontrolle. Dabei putzen sie sicher nicht so anders als alle anderen. Vielleicht liegt es daran, dass sie alle noch Flüchtlinge in erster Generation sind, also vor 20 Jahren als junge Menschen in großer Armut hierher kamen und erst mal keinen Zugang zu Cola, Fanta und Sprite hatten?

Ich hab keine andere Erklärung.

Die Männer hatten natürlich ganz furchtbar braun verfärbte Zähne vom Betelnuss kauen. Dafür scheint es Zahnstein hier fast nicht zu geben.

Versteh einer die Welt.

Wir putzten also gemeinsam, besprachen wieder den Vormittag, ich erklärte noch ein paar Sachen. Wir wiederholten die Woche und ich führte eine Wurzelbehandlung am Modell vor. Nicht, damit sie es nachmachen sollten, sondern um Ihnen zu zeigen, wovon sie schon gehört hatten.
Ich  versprach, nächste Woche in Chiang Mai in einem Dental Shop einkaufen zu gehen und all das, was hier am dringendsten fehlt, zu besorgen.

Dann machte ich noch ein Spiel mit ihnen. Einer musste eine Fachfrage stellen, so schwierig wie möglich. Ein anderer sie beantworten. Den Punkt bekam, wer siegte. Also war die Frage so schwer, dass sie nicht beantwortet werden konnte, bekam der Fragender den Punkt (wenn er sie selbst beantworten konnte)-, sonst der Antwortende. Sie waren so begeistert bei der Sache, diskutierten die Antworten alle aufgeregt durcheinander, dass wir den Feierabend weit überzogen. Ich verstand von alldem erst mal gar nichts, ließ mir aber immer mal von Mon die Antworten übersetzen und gab dann noch meinen Senf dazu.

Die Komplikationen beschäftigten sie besonders. Ich nehme das mal als gutes Zeichen.

22.00 Uhr

in der Diskussion

Nun hat es also wirklich geklappt. Nachdem gestern drei nette Menschen für mich kochten, na ja besser formuliert, mich an ihrem Essen teilhaben ließen, waren es heute wirklich 4. Vier verschiedene Essen. Traditionelles Thaigemüse mit Huhn. Karenisches Bambusirgendwas aus Stämmen geschält, die für mein europäisches Auge wie Bambus aussehen und halt wie saftiges Gemüse schmecken – natürlich in würziger Tunke, sodass über den Originalgeschmack nur spekuliert werden kann. Dann gab es Hühnerstücke mit Gemüse, dass sah roh aus wie Monsterbohnen. Außerdem gab es Gemüsesuppe, viel Blattwerk drin, Pilze, Tomate, Möhre und ich schätze noch ein halbes Dutzend weitere Zutaten. Mal nicht scharf, dafür sehr würzig.

Weiterhin kamen gebratene Reisstücke auf den Tisch sowie zwei Sorten Kochreis, Mangostücke, Schokoladensticks (mein karger Beitrag) und selbstgebrannter Reisschnaps.Ich wurde ständig aufgefordert, dies zu kosten, jenes zu probieren. Dann sollte ich auch noch entscheiden, was mir besser schmeckt, was ich natürlich schön bleiben ließ. Außerdem war alles wirklich lecker. Und da dachte ich, ich könnte mal ein Kilo abspecken.

Dazu wurde lebhaft gequatscht. Ich lobte (aus ehrlichem Herzen) die thailändische Freundlichkeit, die Tapferkeit der Zahnpatienten und erheiterte die anwesende Gemeinschaft mit Geschichten aus dem fernen Europa und von meinen Einsätzen in Afrika. Das fanden sie auch sehr spannend, wie die Leute da leben.  Es war wieder ein wirklich netter Abend. Das wird mir fehlen nächste Woche.

Ich meine, dieses ständige schmuddelig sein, das wird mir nicht fehlen. Dunkelbraune Füße, fleckige Hosen, staubige T-Shirts, klebrige Haut, Striemen auf dem Arm, wenn man sich nachmittags mal mit feuchtem Finger drüber fährt.

Und auch nicht das öffentliche Krankenhausklo im Camp ein eigenständiges Häuschen zwischen der Krankenstation, der Zahnstation und dem Laboratorium. Dort ist man nämlich ständig Umgeben von Muttis mit Kindern, die sich auf den Weg machen in eine der Einrichtungen sind und von Kindern, die es gern als Versteck nutzen. Die Tür gesichert durch ein drehbares Holzstück, das aber bei jeder Berührung der Tür runterklappt, Türöffnung inclusive da sie schief in den Angeln hängt. In der Mitte ist ein Porzellanbecken deutscher Markenhersteller (immerhin), in den Boden eingelassen. Besonders bequem, wenn man Knie hat. Im Stehen ist es aber auch nicht so günstig, weil man dann rundherum gesehen wird. Die Wände sind teilweise nur 1,60 m hoch. Nach dem Toilettengang nimmt man die gleiche Plastikschöpfkelle wie alle anderen in die Hand und spült mit ihr Wasser aus der Tonne in den Abort, möglichst ohne sich vollzuspritzen. Unnötig zu erwähnen, dass man sich weitestgehend entkleidet, weil eine heruntergelassene Hose, ausversehen in Kontakt mit dem rundrum, wovon auch immer, durchfeuchteten Boden kommen könnte und dann wieder angezogen werden müsste…, das wollen wir uns lieber gar nicht vorstellen. Für die Kelle wollte ich immer einen Handschuh mit aufs Klo nehmen, viel mir auch regelmäßig zu spät ein.

Also für Schönwetterscheißer ist das hier nix. Das darf schon mal so deutlich gesagt werden. Was wäre denn noch erwähnenswert?  Massagesalons hätten hier oben keine Chance – oder gerade. Wenn ich nach 30 Minuten Schrittfahren im Allrad Pick up aus dem Auto falle, bin ich bis in die tiefste Muskulatur durchgelockert. Andere möglicherweise auch vollverspannt. Drei bis Vier Kopf – Autodachkontakte hatte ich trotz aller Vorsicht jedes Mal – aber nur einer zog auch eine rote Spur.  Also alles easy.

Ansonsten ist es hier einfach nur herrlich. Soviel Natur. Sonne, Wärme, nette Menschen, dankbare Menschen, anspruchslose Menschen – jedenfalls verglichen mit unseren Ansprüchen.

Ich würde hier nicht dauerhaft leben wollen, gebe ich zu, aber es hat etwas Besonderes.

Morgen treffe ich die Zahnputzkolonne, also ca. 15 dental health worker, die das ganze Jahr jeden Tag in Schulklassen gehen und mit den Kindern putzen. Denen soll ich also einen Refresher zum Thema putzen geben. Klingt albern. Ist albern.

Und ich soll über Zahnfleischerkrankungen referieren. Einem Thema, das ich, wie schon geschrieben, bei dem dental Staff diese Woche fast weggelassen habe, weil es so lächerlich unbedeutend ist neben der Kariesproblematik. Da passt es morgen gleich gar nicht. Na mal sehen. Irgendwas wird mir einfallen.

10.3. Freitag

Letzte Nacht im Staffhaus. Auf den Rücken ist Verlass. Ab halb 5 wollte er nicht mehr liegen. Aber Willenskraft und Faulheit haben ihn bis kurz vor 7 im Griff gehabt. Dann gab es Rührei und Apfelstückchen.So eine – Wünsche von den Augen ablesende – Betreuerin ist schon toll. Dann ging es ins Lager mit Umweg über das  andere Lager, um die dortigen Zahnputz – dental – health – workerinnen einzusammeln, samt diversen Kindern, die teils am Rockzipfel, teils an der Brust hingen.Also über eine Stunde Autowackeln inklusive noch einiger schöner Fotos.

Heute war also Auffrischung für die Frauen angesagt, die in den Schulen jeden Tag mit den Kindern Zähne putzen. Damit es nicht zu langweilig wird, habe ich sie in der dental clinic in Zweiergruppen eingeteilt und blau eingefärbt – also nur die Zähne natürlich.

Das Belagsanfärbemittel, wir nutzen in Deutschland das Gleiche, war zwar schon ein bisschen überlagert, aber es hat natürlich noch prima funktioniert und sie sollten es ja nicht trinken. Überhaupt bekommen Verfallsdaten einen komödiantischen Beigeschmack, wenn man hier im Wald das Beste aus dem machen soll, was halt da ist.

Nachdem alle fleißig geputzt hatten, die Kinder mussten gleich mit ran, habe ich dann jeder gezeigt, wo es bei ihr noch besser geht.  Bis auf zwei Frauen waren aber alle gut geschrubbt. Die zwei mussten zum Nachputzen und zur 2. Kontrolle.

Dann gab es noch eine Rede mit viel Lob für ihre Arbeit und der Betonung auf die Bedeutung ihres Tuns und vielen Pflegetips.

Das ging so bis Mittag, dann wurden die Damen wieder in ihr Lager zurückgeschaukelt, es gab noch-mal Mittag und dann fuhren wir zurück nach Mae Sariang. Jetzt sitze ich wieder in dem hübschen Hotel, in dem ich auch bei der Anreise genächtigt habe. Bin sauber, mit Bier versorgt und fühle mich ein bisschen wie früher nach dem Ferienlager. Am liebsten würde ich direkt wieder hin fahren und noch ein paar Tage da arbeiten.

Die Menschen dort sind so einfach, wenig gebildet, haben so andere Prioritäten als wir. Das ist es aber gar nicht, was mir im Kopf rumgeht. Es sind die Wertvorstellungen.

Zum Beispiel die der Frauen.

Es gibt im Lager unendlich viele Kinder. Nicht nur-, weil die Leute viele Kinder haben wollen. Ohne Fernsehen, Computer und Handy gestalten sich die Abende vielleicht schon mal anders als die des „modernen“ Menschen. Dann heiraten die Mädchen sehr jung. Viele verlassen mit 16 die Schule, um dann sehr bald mit dem ersten Kind schwanger zu sein. Aber klar, als Mutter haben sie ihre Lebensaufgabe gefunden, besonders wenn sie mehrere Kinder groß zu ziehen haben. Und eine Mutter ist dann auch wer, die gesellschaftliche Anerkennung steigt. Und eine Mutter von 5 Kindern bekommt von den Maltesern auch für 5 Kinder die Grundversorgung, das schafft zumindest einen größeren Gestaltungspielraum.

Das ist doch bei uns ganz anders. Frauen werden zwar nicht diskriminiert, wenn sie ein Kind oder gar mehrere Kinder bekommen, aber benachteiligt werden sie auf alle Fälle. Rentenrechtlich gesehen ist es doch einfach dumm, sich Kinder anzuschaffen.

Einkommenstechnisch ist es dämlich, Kinder in Deutschland zu haben. Nicht nur, dass ein jahrelanger Verdienstausfall die Folge ist. Nein es treten auch noch 20 Jahre höhere Kosten auf und die berufliche Entwicklung der Frau und Mutter, die mal zu höherem Einkommen führen könnte, wird auch massiv behindert.

Statt das eine Mutter, die Kinder in die Welt setzt, mit allen möglichen finanziellen Unterstützungen rechnen kann und damit meine ich nicht, einen Kindergartenplatz, um den man sich immer noch prügeln muss, -trotz des Politikergelabers allerorten, oder ein Teilgehalt für 1-3 Jahre, wird laut – und berechtigt – gejammert, dass bei uns die Kinderzahlen so niedrig sind. Und am lautesten jammern die, die es in der Hand hätten, per Gesetz  Müttern in Deutschland die Bedeutung und die finanzielle 

Sicherheit zukommen zu lassen, die nötig wäre, damit Kinder zu haben gesellschaftlich wieder Anerkennung bringt – so, wie ich es in diesem Flüchtlingscamp, aber auch schon in Kenia und Gambia erlebt habe.

Ich bin kein Politiker und habe auch keinerlei Anspruch, eine ausgereifte Lösung zu haben, aber das, was die Malteser machen ist so einfach wie vernünftig. Auf Deutschland bezogen könnte das heißen – für jedes Kinde gibt es einen monatlichen Zuschuss vom Staat, nein keinen Almosen, sondern in der Höhe, dass ein Kind ordentlich über den Monat kommt und für die Mutter ein Grundgehalt. Zu teuer? Das dachte ich früher auch. Aber wenn ich sehe, wofür wir in Deutschland Milliarden und zwar viele davon, ausgeben. Dazu die schwarze Null Hystery – wo ist bitte hier der Heulsmiley.

Aber vor allem und egal, was es kostet: In 25 Jahren gibt’s statt 40 Millionen Erwerbsfähigen noch 30 Millionen in Deutschland, das ist reine Mathematik, keine Politik, die neuen Bürger mal nicht mitgerechnet. In 25 Jahren, das erlebe ich vielleicht noch. Das ist dann der Zusammenbruch unseres sozialen und unseres wirtschaftlichen Systems. Und warum? Weil wir hochentwickelten, modernen, emanzipierten Menschen vergessen haben, wie Menschheit funktioniert.
Und das ist die bittere Erkenntnis – dass diese einfachen, armen, weniger gebildeten Menschen intuitiv viel gescheiter sind als wir.
So, nun bin ich aber schön ins Philosophieren abgerutscht.

Vielleicht hat das auf einer Zahnarztseite gar nichts zu suchen, aber es ist nun mal die für mich wichtigste Erkenntnis dieser Zeit im Camp. Und deshalb lasse ich es hier stehen.

11.3. Samstag

Heute war Rückfahrtag nach Chiang Mai. Nachdem es bei der Hinfahrt ja ein bisschen mit der Logistik gehapert hatte, boten mir die Malteser für den Rückweg an, den Pick up samt Fahrer den ganzen Tag in Anspruch nehmen zu können, zumal ich auch noch in einen Dentalshop wollte und die Geräte ja irgendwie nach Mae Sariang  kommen mussten.

Also machte ich einen wunderbaren Umweg über den Berg Doi Inthanon. Er gehört noch zum Himalaya und ist der höchste Berg Thailands, natürlich inclusive Stupas zu Ehren des Königs, einer wunderbaren Natur, traumhafter Fernsichten, sonniger Pinienwälder (na ja so Nadelbäume eben), und zweier Wasserfälle, die in der Regenzeit bestimmt noch spektakulärer sind.

Ein Blick auf die Ausläufer des Himalaja

Der Tempel auf dem Doi Inthanon

Anschließend kehrten wir endgültig in die großstädtische Zivilisation zurück.

Wir suchten und fanden  – nach mehreren Versuchen –  in Chiang Mai einen Dentalshop und ich durfte 1 Stunde lang nach Herzenslust die Schränke durchwühlen. Man hätte meinen können, vor mir wäre noch nie jemand auf die Idee gekommen, Zahnarztinstrumente in diesem Zahnarztshop zu kaufen. Die nette Verkäuferin, ihr Mann und die 4 Kinder beobachteten mich mit wohlwollendem Interesse, wie ich so Schrank für Schrank durchsuchte. Helfen konnten sie mir nicht. Nicht wegen mangelnder Kommunikation, sondern weil sie gar keine Ahnung von dem hatten, was sich in ihren Schränken verbarg. Ach ja, sagte ich es, sie wohnten in dem Raum, in dem sich die Schränke befanden und sie ließen sich auch nicht sonderlich beim Abendessen stören. Die Preise waren wahrscheinlich auch eher spontan als festgelegt.

Aber es war ja für einen guten Zweck. Dann reizte ich mein Glück noch aus und lies mich von meinem Fahrer, der kein Wort englisch sprach und dennoch lächelnd alles machte, was ich mir wünschte, noch bis zu einem netten Bungalowhotel fahren.

Dann kam wieder das Übliche:  duschen, dieses Mal – nach einer Woche –  auch rasieren, Wäsche waschen, Fotos schießen. Dann suchte ich mir eine kleine Kneipe in der Nähe und saß bis weit in die Dunkelheit dort rum und genoß die angenehme abendliche Wärme Thailands.
Soweit zu meinem Einsatz im Flüchtlingslager der Karen.
Würde ich es wieder machen?   
Sofort!
Und bei einem nächsten Mal hätte ich auch einen Plan, wie ich noch effizienter vorgehen könnte. Denn jetzt kenne ich den Ausbildungsstand, weiß um die Motivation des Teams und wüsste auch, was ich mitzubringen habe, um meine Ideen umsetzen zu können.
Ich werde sehen. Es hängt ja nicht nur von mir, sondern auch von den Maltesern ab, na ja und ein bisschen arbeiten möchte ich zu Hause auch wieder. Schließlich bin ich am meisten in meiner Praxis zu Hause und so ab zwei Wochen fehlen mir doch meine Patienten und mein Team daheim.
 

Ende

Die schwimmende Brücke